Beim Erzengel
Mittwoch, April 20, 2005
  Salzmonopol .

Zwei Tage am Schreibtisch. Heute mit Handschuhen. Der Versuch, einen Text von 24 Seiten auf 15 herabzusortieren. Streiche das „Polnische“ weg, richtete mir die Herausgeberin aus. Auf der T-Net-Box. Ich fuhr gerade jenseits der Oder spazieren. Aber ich liebe Konstruktionen. Schnitte. Spiralwindungen. Sage ich sinnlos in den leeren Raum hinein.

Die letzte Nacht war kalt. Und die nächste wird kälter. Auch den öffentlichen Frühling am Engelbecken besetzen nun die Medien. Wie die guten Stuben seit der Erfindung des Schwarzweißfernsehens. Ich öffnete endlich das zweite Japanpaket. Obenauf lag die weiße Jogginghose des Professors. Auch das hatte ich vergessen. Dass in Japan alles vorwiegend farblos gehalten wird. Aber darunter die Überraschung. Gut gepolsterte Shamisen-CDs. Hatte ich vermisst. Kommt mir in den Sinn. Und W. verdächtigt, sie nach Stralsund enteignet zu haben. Stockhausen. 12 Melodien der Sternzeichen. Eine explodierende Begierde. Musik! Dynamit für den leeren Raum. Unter den „research-(dieses Wort ist unausstehlich)-papers“, versunken in der Tiefe der Nachhaltigkeit – die Chinageschenke. Von Professors bis heute nicht genehmigter Auslandsreise. Tsukuba – Peking und zurück in drei Tagen. Hast du mir was mitgebracht? Erik Satie. Claude Debussy. Johann Sebastian Bach. Leichte Klavierstücke und Tänze. Licensed Chinese Edition.

Ich verliere mich am Schreibtisch. Zurück bleibt ein grüner Wollschal. Der Schuster sagte, jeder Mensch laufe seine Schuhe ungleich ab. Und Frieda meldet prompt aus Menznau, ich sei Linksfüßerin und würde mich in der Wüste zu Tode irren. Ich habe sämtliche Schuhpaare auf den Kopf gestellt. Auf dem Balkon. Von Angesicht zu Angesicht. Mit dem Vergrößerungsglas die Sohlen gemessen. Meiner Lebtag brauchte ich noch keine Absatzbar. Und je mehr ich über die Energieferse nachdenke, desto schlechter wird mein Gang. Desto steifer mein Genick. Desto schmerzhafter mein Atem. Morgen früh laufe ich zum Hausarzt und lasse mir das Bein amputieren.

Heute meine erste Audienz. Im Containercafé am Engelbecken. Ist geplatzt. Wie das Polnische in meinem aufgeblähten Text. SAT.1. dreht den zweiten Block einer neuen Serie. Besetzt das Engelbecken und das Café. Stellt Parkverbotsschilder auf. Scheinwerfer. Kunstschirme. Genehmigt von den zuständigen Behörden. Bis in den kalten Abend hinein. Bald werden wir in aller Stuben sein.

Zu Hause ziehe ich die Basellandschaftliche Zeitung von gestern aus dem Briefkasten. Die Schlagzeile „Der erste schwarze Rauch“ ist hin wie der Dienstag. Und das Salzmonopol hinterlistig wie ein Aprilscherz. Von 26 Schweizer Kantonen unterliegen 25 der bundesrätlich genehmigten Salzverkaufsordnung und werden von den Schweizerischen Rheinsalinen mit allen Salzprodukten versorgt. Dürfen kein Straßenstreusalz im Ausland kaufen. Obwohl es um die Hälfte billiger wäre. Obwohl es letzten Winter zu Streusalzengpässen kam. Die Verkehrssicherheit für den morgendlichen Berufsverkehr blieb immer gewährleistet. Ausnahme ist der Kanton Waadt. Er baut in Bex selber Salz ab. 
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